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Schätzungen in Projekten

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Schätzungen in Projekten

Die Frage, wie lange eine Aufgabe im Projekt dauern wird, mögen die Wenigsten von uns. Meist geht es in Projekten darum, etwas Neues zu erstellen. Woher soll man bei vielen und möglichen Unbekannten wissen, wie lange eine Aufgabe dauern wird? Dieser Umstand macht deutlich, dass Schätzungen im besten Fall ungenau und im schlechtesten schädlich für das Projekt sein können.
 
Dennoch werden Schätzungen in vielen Projekten unserer Kunden benötigt bzw. gefordert. Das bedeutet, dass zumindest grobe Aufwände geschätzt werden. Sei es, um ein Projektbudget zu beantragen oder das Staffing innerhalb einer Organisation für einen bestimmten Zeitraum festlegen zu können. Deshalb ist es sinnvoll, Schätzmethoden und die Definition von «Arbeitspaket/Workpackage» oder «User Stories» zu kennen.
 
Gerne stelle ich euch einige Schätzmethoden vor, welche ich bei unseren Kunden einsetzen und kennenlernen durfte.
«Expertenschätzung»
Als Projektleiter ist es nicht ungewöhnlich, sich in einem Thema (fachlich oder technisch) nicht gut auszukennen. Dafür gibt es Fach-/Technik-Spezialisten, die viel tiefer in den Themen stecken. Bei der «Expertenschätzung» fragen wir jemanden, der sich mit dem Thema auskennt. Eine naheliegende und sehr gebräuchliche Schätzmethode. Vorgehen:
  • Stelle sicher, dass sich der Experte wirklich besser auskennt als du.
  • Frage mehrere Experten (du wirst von einem Vorsichtigen eine andere Schätzung als von einem Draufgänger erhalten).
  • Wähle als Experten Kollegen aus, die auch am Projekt mitarbeiten werden. Das wird die Qualität der Schätzung verbessern.
«Analogiemethode»
Eine weitere intuitive Schätzmethode ist die «Analogiemethode». Hier werden Erfahrungswerte aus der Vergangenheit bei Projekten mit ähnlichem Inhalt und ähnlicher Grösse und Komplexität genutzt. Weiter fliessen hier Erfahrungen betreffend Fehleinschätzungen aus vergangenen Projekten ein und erhöhen so die Qualität der Schätzungen.
«Bottom-Up-Ansatz»
Bei diesem Vorgehen überlege ich, was alles zu tun ist. Dann schätze die Aufwände für die kleinsten Aufgaben und summiere alles auf. So hoffe ich, dass am Ende keine unrealistische Summe herauskommt. Diese Methode macht es einfach, jemanden die Frage «Kann es sein, dass das so lange dauert oder so viel kostet?» zu beantworten und klar zu argumentieren. Je genauer man die Tasks zusammensammelt, desto genauer wird die Schätzung ausfallen. Nachteil ist jedoch, dass diese Schätzmethode sehr viel Zeit in Anspruch nehmen kann. Auch der Umfang des Projekts muss bereits recht klar und strukturiert sein (eine Unterteilung in Arbeitspakete sollte vorliegen). Weiter kann man sich bei dieser Methode verzetteln, da viele kleine Schätzungen viel schwerer fallen können, als eine grobe High-Level-Schätzung. Muss man seinem Vorgesetzten jedoch erklären, woher die utopischen Zahlen kommen, ist diese Methode sehr hilfreich und transparent.
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«Top-Down-Ansatz»
Einige meiner Kunden geben bereits ein Budget und eine Dauer des Projekts vor und lassen keinen Spielraum für anderweitige Schätzmethoden. Daher gibt es den «Top-Down-Ansatz»: Vom Groben zum Feinen, sprich das Ganze nochmal andersherum. Sind also die Gesamtaufwände zum Beispiel vorgegeben oder grob bekannt (Budget, Zeit der Umsetzung), unterteilt man den vorgegebenen Gesamtaufwand auf die Einzelbereiche des Projekts (Entwicklung, Testing, Definition, Defect-Handling, Rollout usw.) auf und prüft, ob die Zahlen halbwegs Sinn ergeben. Benötigen dann z.B. bereits 2 der 4 Teilbereiche mehr Ressourcen oder Zeit als vorgegeben, sind die vorgegebenen Rahmenbedingungen unrealistisch und nicht einzuhalten.
«Planning-Poker»
Diese Methode wird meist in Scrum-Teams und agilen Umfeldern eingesetzt. Hier schätze ich nicht allein oder mit einzelnen Experten. Das ganze Team nimmt spielerisch teil und taxiert mit Hilfe von speziellen Spielkarten Aufwände für Tasks (oder/und Epics und User Stories) für den anstehenden Sprint. Sog. Story Points widerspiegeln das Ergebnis der Schätzung und illustrieren, ob ein Aufwand sehr klein, mittel oder gross sein könnte (gerne wird auch mit Grössen wie «T-Shirt-Size» gearbeitet). Ein Story-Point ist eher mehr Metrik als ein Mass für Zeit oder Geld. Oftmals hat man nicht ausreichende Informationen. Daher behandelt man den Aufwand als relative Grösse. Als Basis dient eine Referenz-Story oder ein Referenz-Task, für die/den der Story-Point Wert bekannt und gemeinsam bereits definiert wurde. Mit Zahlen auf den Spielkarten geben die Team-Member ihre Meinung preis, ob das zu schätzende Arbeitspaket oder die User Story mehr oder weniger Aufwand als der Bezugspunkt bedeutet. Durch Diskussionen nähert man sich einem Mittelwert an, der vom ganzen Team mitgetragen wird und einer genauen Schätzung am nächsten kommt.
Trotz der genannten Schätzmethoden sollte man sich bewusst sein, dass die Ergebnisse schlicht nur eines sind: Schätzungen! Deshalb: Nimm’s leicht! Schätzungen aus dem Bauch heraus sind die Besten. Fehleinschätzungen gleichen sich oft wieder aus. Perfektionismus ist bei Schätzungen nicht angebracht und nenne Rahmenbedingungen, die du beim Schätzen angenommen hast.
 
Habt ihr Lust mehr über Schätzmethoden zu erfahren oder habt ihr Fragen betreffend der genannten Methoden, dann meldet euch gerne bei mir, um ein Best-Practice-/Mentoring-Gespräch zu vereinbaren.